|| Kirchen helfen Kirchen > Ausgewählte Projekte > Argentinien/Uruguay/Paraguay - FHDO |
Was Seelsorge mit Monokulturanbau zu tun hat
Soja und Tabak, soweit das Auge blicken kann. Weil seit den 80er Jahren der weltweite Bedarf an Soja als Futtermittel für die Tiermast und Biotreibstoff stark zugenommen hat, werden vor allem in Lateinamerika massiv Sojamonokulturen angebaut. Deren Saatgut ist seit Mitte der neunziger Jahre genmanipuliert, genau wie das der Tabakpflanzen, deren Anbau ebenfalls weit verbreitet ist. So auch im Gebiet der Evangelischen Kirche am La Plata. Mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder arbeiten in der Landwirtschaft, sie sind selbstständig oder angestellt. Die meisten von ihnen bewirtschaften ihre Felder konventionell, das genmanipuliertes Saatgut verlangt für einen erfolgreichen Anbau massiv nach Pestiziden. Doch diese verursachen zahlreiche Krankheiten bei den Menschen, die in der Landwirtschaft mit ihnen arbeiten oder in der Nähe wohnen: Vergiftungen, Hautkrankheiten, die Zunahme epileptischer Anfälle, Fehlbildungen bei Neugeborenen und Depressionen. So auch bei Fábian Tomasi. Er füllte jahrelang Sprühmittel in die Flugzeuge zum Ausbringen über die Felder. Tomasi hat stark abgenommen und Geschwüre am ganzen Körper. Er sagt: „Ich wurde vergiftet und kann das Haus nicht mehr verlassen, es ist wie ein Gefängnis.“
Das finanzielle Risiko für die Landwirte ist hoch. Wenn die Ernten ausbleiben oder schlecht ausfallen, müssen sie trotzdem ständig hohe Investitionen tätigen. Außerdem wird durch den einseitigen Anbau ihr Land immer unfruchtbarer, Nährstoffe gehen verloren und die Ackerflächen erodieren. Dennoch empfinden viele Kirchenmitglieder der La Plata-Kirche, die genmanipulierte Pflanzen anbauen, den Einsatz chemischer Agrarprodukte als normal: sie verbinden mit ihnen die Hoffnung auf gute Erträge. Dabei sind sie stark abhängig von den Saatgutkonzernen, die mit den Samen gleich auch das einzig passende Pestizid liefern. Nicht alle Gemeindemitglieder befürworten diese Art der Landwirtschaft, doch um Konflikte innerhalb der Gemeinden zu vermeiden, schweigen viele Kritiker.
Mit der Stiftung „Fundación Hora de Obrar“ will die Evangelische Kirche am La Plata mit Seminaren und Gesprächen ein Diskussionsforum schaffen, in dem sich Landwirte, Multiplikatorinnen und Seelsorger über die Folgen des Monokulturanbaus und Alternativen dazu austauschen. Denn weil die gesundheitlichen Belastungen so hoch sind, überlegen einige Gemeindemitglieder wie die Landwirtin Wirlene Schmechel aus dem Anbau der genmanipulierten Pflanzen auszusteigen. Als ihr Mann vor zehn Jahren aufgrund einer Pestizidvergiftung depressiv wurde, stellte sie den Tabakanbau ein und stieg stattdessen auf Gemüse um, das sie weitestgehend ohne chemische Gifte ziehen kann. Sie nahm an einem der bisher mehr als 12 Seminare der Kirche zu dem Thema teil: „Solche Seminare bräuchten wir in meiner Heimatregion auch. Es war gut, dass wir hier auf Augenhöhe sprechen konnten, ich denke, so ein Seminar wäre für viele Bauern sehr interessant“, so Schmechel.
Pfarrerrinnen und Pfarrer lernen in den Seminaren, wie sie mit Konflikten in ihren Gemeinden zu Fragen des monokulturellen Anbaus umgehen können. Dabei gelte: „Keine Moralpredigten und kein Fantasieren an der Lebenswelt der Menschen vorbei, sondern diese zu begleiten an dem Punkt, wo sie sich selbst gerade befinden“, so der Vikar Michael Nachtrab, der die Stiftung zu Gesprächen mit ihm und den Kleinbauern in seiner Gemeinde eingeladen hat. Neben praktischen Fragen zu alternativen Produktionsweisen und der Umstellung auf Viehwirtschaft o.ä. stehe dabei auch im Fokus, wie sich die
Pfarrerinnen und Pfarrer in ihrer Arbeit positionieren können. Denn die Kirchen in der Region sind gefragt, ihren christlichen Glauben mit seiner Verantwortung für die Schöpfung in Bezug auf den Monokulturanbau mit genmanipulierten Pflanzen wahrzunehmen und ihr Handeln danach zu gestalten.