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Diakonie der Böhmischen Brüder - Migranten und Migrantinnen vor Arbeitsausbeutung schützen
In den ersten Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs galt Tschechien als ein Land, aus dem Menschen kommen, die in westeuropäischen Staaten in Billigjobs arbeiten. Doch mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der letzten Jahrzehnte hat sich das geändert. Mittlerweile ist Tschechien selbst ein wichtiges Ziel von Menschen aus Rumänien, Bulgarien, der Ukraine oder der Republik Moldau, die auf der Suche nach Arbeit sind. Doch nicht alle von ihnen finden den sicheren Arbeitsplatz, den sie sich erträumen.
Im Jahr 2016 betreute die Diakonie der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder in ihrem Projekt zur Bekämpfung von Arbeitsausbeutung in der EU mehr als 250 Menschen. Die große Mehrheit von ihnen waren Männer zwischen 20 bis 55 Jahren aus Bulgarien oder Rumänien. Betroffene Frauen können sich an La Strada wenden. Die Männer waren in tschechischen Fabriken, in der Landwirtschaft oder auf dem Bau angestellt und wurden von ihren Arbeitgebern ausgebeutet: Sie bekamen nicht den vereinbarten Lohn, ihnen wurden ihre Reisepässe weggenommen, sie bekamen Arbeitsverträge auf Tschechisch, die sie nicht verstanden, sie mussten deutlich mehr als die erlaubten Arbeitsstunden arbeiten, oft ohne Pausen, mussten ungeschützt gefährliche Tätigkeiten ausführen, meist ohne Krankenversicherung und vieles mehr. Die Übergänge zum Menschenhandel sind fließend.
Mit sechs Angestellten bietet das Projekt der Diakonie den Männern in zwei Beratungsstellen sowie einer Notunterkunft Hilfe. Sie klären die Betroffenen über ihre Rechte als Arbeitnehmer auf, unterstützen bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber oder Behörden oder helfen bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle. Viele der Arbeiter kommen in billigen Quartieren ihrer Arbeitgeber unter, doch wenn dieser sie, oft ohne Lohn, einfach entlässt, sind sie obdachlos. Bis zu drei Monate können 15 Männer dann in der Notunterkunft des Projekts unterkommen. Diese bietet neben einer sicheren Unterkunft auch Lebensmittel und die Vermittlung medizinischer Hilfe, falls nötig. „Es war großes Glück, dass ich auf einen Flyer zum Projekt stieß, als ich am Prager Busbahnhof ankam und dort einen neuen Job suchte. Ich hatte keine Wohnung, und das im Januar. Von meinem letzten Arbeitgeber bin ich nicht bezahlt worden und wurde bedroht, als ich mich beschwerte, darum musste ich dringend von dort weg“, sagt Stefan Ivanov* aus Bulgarien.
Neben der angebotenen Beratung und Nothilfe in Pilsen und Prag fahren die Mitarbeitenden der Diakonie der Böhmischen Brüder präventiv zu Schlafquartieren, Bushaltestellen und Arbeitsstellen in ganz Tschechien, um Arbeitsmigranten über ihre Rechte aufzuklären und zu beraten. „Ich habe das Gefühl, meine Arbeit ist absolut sinnvoll. Sie wird gebraucht von Menschen in Not, die von einem gut bezahlten Job träumten und die nun ausgebeutet werden“, sagt Jana Nemec*, die als Sozialarbeiterin im Projekt arbeitet. Damit weniger Menschen Opfer von Arbeitsausbeutung in Tschechien werden, muss sich aus Sicht der tschechischen Diakonie einiges ändern: die Geschäfte der Job-Vermittlungsagenturen müssten stärker kontrolliert werden und Arbeitsverträge nicht nur in der Landessprache, sondern auch der Sprache der Angestellten ausgestellt werden. Die Mitarbeitenden des Projekts setzen sich auch dafür ein, dass der tschechische Staat die Notwendigkeit ihrer Arbeit erkennt und finanziell unterstützt.
*Name geändert